Stell dir vor, du ziehst eine Tarotkarte – und es ist der Teufel. Ein Bild, das sofort etwas in uns auslöst: Ketten, Hörner, Dunkelheit. Schnell sind Begriffe wie »toxisch«, »manipulativ«, »gefährlich« im Raum. Und ja – der Teufel kann all das symbolisieren. Aber genau hier lohnt sich ein zweiter Blick.
Denn diese Karte zeigt nicht, was dich fesselt – sondern dass du gefesselt bist.
Das Bild – was der Teufel im Rider-Waite-Tarot zeigt

In der klassischen Darstellung sitzt ein gehörntes Wesen auf einem dunklen Sockel. Es trägt Fledermausflügel, hat einen umgekehrten Feuerschwanz, eine brennende Fackel in der Hand – eine Mischung aus Tier, Mensch und Dämon. Unter ihm: ein nacktes Paar, Mann und Frau, angekettet an den Block, auf dem der Teufel thront. Sie wirken passiv, fast ergeben. Und doch: Die Ketten sind locker. Sie könnten sie ablegen. Jederzeit.
Der Teufel tut nichts. Er sitzt nur da. Er zwingt niemanden. Die eigentliche Kraft der Karte liegt nicht in seiner Macht – sondern in der Passivität derer, die sie ihm geben.
Das Paar – mehr als nur Opfer?
Die beiden Figuren stehen symbolisch für uns selbst – für Momente, in denen wir in Beziehungen, Abhängigkeiten oder alten Rollenbildern feststecken. In Dynamiken, die sich vertraut anfühlen, aber alles andere als frei sind.
Die Nacktheit der beiden zeigt: Sie verstecken nichts. Und doch halten sie an etwas fest, das sie zurückhält.
Was, wenn diese Ketten nicht von außen angelegt wurden, sondern von innen?
Die Karte stellt keine moralische Frage – sondern eine ehrliche:
Wo in deinem Leben bleibst du, obwohl du längst gehen könntest?
Schatten sind keine Feinde – sie sind ungehörte Anteile
Der Teufel bringt das ins Bewusstsein, was wir lieber verdrängen: Kontrollmuster, Sehnsucht nach Macht, Lust, Scham, Abhängigkeit. All das, was nicht ins »Lichtbild« unserer Persönlichkeit passt. Aber genau da, wo wir uns nicht hintrauen, liegt die größte Chance:
Nicht in der Vermeidung – sondern im Hinsehen.
Nicht in der Verurteilung – sondern in der Integration.
Denn Schatten verlieren ihre Macht, sobald du ihnen einen Namen gibst.
Der Teufel als Spiegel der Liebenden
Und hier kommt ein weiterer, oft übersehener Aspekt ins Spiel: Der Teufel ist die dunkle Spiegelung der Karte „Die Liebenden“.

Numerologisch ist das kein Zufall:
- Die Liebenden tragen die Zahl VI (6).
- Der Teufel trägt die XV (15) → 1 + 5 = 6.
Beide Karten zeigen ein Paar. Beide sprechen über Verbindung. Aber aus völlig unterschiedlichen Perspektiven:
- Die Liebenden stehen im Garten Eden, geführt von einem Engel, offen, nackt, bewusst. Sie wählen einander.
- Beim Teufel stehen sie sich näher, aber wirken entfremdet, verstrickt. Keine bewusste Wahl – sondern ein Festhalten aus Angst.
Die Liebenden verbinden.
Der Teufel bindet.
Und genau deshalb ist die Verbindung zwischen diesen Karten so kraftvoll: Sie zeigt dir den Unterschied zwischen echter Nähe und emotionaler Verstrickung. Zwischen Liebe und Angst. Zwischen Wahl und Abhängigkeit.
Wenn der Teufel in der Legung auftaucht
Diese Karte ist kein Urteil. Sie ist ein Spiegel. Sie lädt dazu ein, genauer hinzuschauen:
- Wo funktionierst du – anstatt zu leben?
- Wo hältst du aus Loyalität, Angst oder Schuld an etwas fest?
- Und wo hast du gelernt, Verstrickung mit Liebe zu verwechseln?
Fazit: Der Teufel ist unbequem – aber ehrlich
Diese Karte will nicht erschrecken. Sie will wecken.
Nicht, weil du falsch bist – sondern weil du frei bist.
Der Teufel zeigt dir keine Tür.
Er zeigt dir, dass du schon längst davorstehst.